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Netzpolitik war nie ein Three-Letter-Acronym

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Little boat

Die Nachhutgefechte im netzpolitischen Sandkasten, in denen es darum geht, ultimativ zu klären, wer schuld daran ist, dass das Leistungsschutzrecht (LSR) am vergangenen Freitag im Bundesrat nicht gestoppt wurde, haben auch ihr Gutes.

Um die Spannung hochzuhalten, möchte ich vorher allerdings erst nochmal einige Fakten dazu einschieben, wie das LSR verabschiedet wurde.

I. Wir sitzen im Sandkasten und sehen der Presse dabei zu, wie sie ihren Sieg nicht feiert

Auf Druck der Zeitungsverlage taucht im Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP der Punkt »Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage« auf. Das Justizministerium legt Entwürfe vor, die mit gutem Willen als Versuch gedeutet werden können, das Ganze aufgrund von Unfähigkeit scheitern zu lassen. Die Piraten unter ihrem Anführer B.G. Kramm versuchen sich an einer Online-Petition und scheitern damit recht deutlich (was dann auch schon zu Debatten darüber führt, warum das Netz nicht organisationsfähig ist). Die Oppositionsparteien im Bundestag halten die überarbeiteten Entwürfe eines Leistungsschutzrechtes für Mist. Auch der Bundesrat äußert Kritik am Entwurf. In mehreren Anhörungen wird das Konzept zerrissen. Das Gesetz wird abgespeckt, bis eine hohe Rechtsunsicherheit erreicht ist (was zählt als kurzer Textausschnitt, was nicht, wer ist gewerblich, wer nicht, …).

Die NetzpolitikerInnen von CDU, CSU und FDP setzen in ihrer Ablehnung des LSR auf die SPD, aber die hat aus seltsamen Gründen keine Mehrheit im Bundestag. Mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen – bei ganz wenigen Abweichungen – wird das Leistungsschutzrecht im Bundestag angenommen. Diverse Kampagnenversuche (Spontandemo der Digiges etc.) laufen eher ins Leere.

Ein Problem dabei: Die Presse berichtet kaum darüber, dass das Netz dieses Presselobbygesetz nicht mag. Letzte Hoffnung Bundesrat, Alvar Freude schreibt offene Briefe an MinisterpräsidentInnen, die SPD macht große Ankündigungen und fällt dann – NRW, Hamburg – doch um. Immerhin bleibt das Versprechen Peer Steinbrücks, nach gewonnener Bundestagswahl ein handwerklich besseres Leistungsschutzrecht umzusetzen, während die NetzpolitikerInnen von Bündnis 90/Die Grünen deutlich machen, dass sie ein Leistungsschutzrecht für den falschen Weg halten, um der Presse ins 21. Jahrhundert zu helfen.

Und da stehen wir jetzt: Die alten Medien scheinen gesiegt zu haben (auch wenn z.B. Konstantin von Notz in der jetzt verabschiedeten, deutlich abgespeckten und widersprüchlichen Fassung eher einen Phyrrussieg der Verlage sieht). Das Netz erkennt seine Machtlosigkeit. Und damit sitzen wir mitten im Sandkasten.

Lag’s daran, dass die Piraten vom Weg abgekommen sind? War »Netzpolitik« in den sogenannten etablierten Parteien nur eine wohlfeiles Themenkonjunktur, die niemand ernst genommen hat? Hätte anders agitiert werden müssen? Lag’s am Zeilenabstand der Flugblätter, oder daran, dass das Thema niemand so richtig betroffen gemacht hat? Was meinen Lobo?

All diese Gefechte und Selbstbespiegelungen lassen sich trefflich eskalieren, beispielsweise in Kanälen wie Twitter. Aber es sind auch mindestens zwei Texte entstanden, die es sich lohnt zu lesen.

Bavaria I

II. Auf der Alm, da gibt’s koa Öffentlichkeit

Da ist zum einen Michael »mspro« Seemann, der die LSR-Schuldzuweisungsphase zum Anlass nimmt, wütend nachzufragen, wo eigentlich vorne ist. Da tauchen einige Wahrheiten auf. Das eine ist sein Rückblick auf ACTA. Wer hat ACTA gekippt?

Blöderweise waren das aber gar nicht wir. Das waren die Kids, die Youtubegeneration. Wir – die netzpolitisch Dauerbewegten – waren da eher eine Randerscheinung. Klar, die »Digitale Gesellschaft« ein Bündnis aus Piraten, Anons, Digiges und Hedonisten hat das ganze organisatorisch gewuppt. Aber mobilisiert haben andere.

Ob daraus gleich ein Generationenkonflikt (»Wir merken gar nicht, wie wir Christoph Keese immer ähnlicher werden, wenn wir voller Entrüstung einen Bestandsschutz für den Google Reader fordern, als ob die Zukunft der Demokratie daran hinge.«) konstruiert werden muss, sei einmal dahingestellt. Aber recht hat er: Die ACTA-Proteste waren auch aus meiner Sicht erfolgreich, weil das Thema auf Schulhöfen und auf der Straße diskutiert wurde. Es war ein Element des öffentlichen Diskurses, es wurde eben nicht nur im Netz thematisiert, sondern auch die klassischen Massenmedien stellten (Filterlogik: passiert da was neues – ja?) fest, dass es interessant ist, über die ACTA-Proteste zu berichten. Damit kam es zu einer positiven Feedbackspirale, die letztlich politische Aufmerksamkeit genug produziert hat, um ein Thema zu setzen und damit vorerst erfolgreich zu sein.

Erst dadurch, dass das Thema ACTA für die Öffentlichkeit außerhalb der netzpolitischen Filterblase (»Netzgemeinde« in all ihren Facetten) ein Thema wurde, konnte dazu letztlich erfolgreich Politik gemacht werden. Und Michael Seemann hat auch recht, wenn er feststellt, dass es auch im Netz eine Öffentlichkeit jenseits der UreinwohnerInnen gibt:

Aber auf Facebook gibt es Pages mit vielen Millionen Abonnenten, auch in deutscher Sprache. Youtube, Facebook, Tumbler. Ob wir es wollen oder nicht: Dort findet die Öffentlichkeit statt. Wenn man unsere größten Blogs – Netzpolitik, Fefe, Hastenichtgesehen – daneben stellt, befindet sich unsere Relevanz im gerade noch messbaren Bereich. Wenn Spiegel Online mal gerade nicht über uns berichtet, sind wir Scheinriesen, deren Wirken praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.

Müssen wir nun das »kleine gemütliche Bergdorf« verlassen? Ich meine, ja und nein – solange wir als »Netzgemeinde« uns bewusst sind, das wir uns gerade am Stammtisch im virtuellen, alternativ angehauchten Szenelokal in angeregten Streit hineinsteigern, spricht nichts dagegen, das zu tun. Ob das jetzt der Cluster der netzgemeinschaftlichen Timelines auf Twitter ist, oder die Sekte, die sich lieber anderswo herumtreibt, ist dabei erstmal egal. Auch der Goffmansche Begriff der Hinterbühne trifft es vermutlich.

Anders sieht es aus, wenn wir tatsächlich organisisiert politisch etwas bewegen wollen. Klar, es gibt auch da die Option des digitalen Aussteigertums – Alpenhütte inklusive – aber so wird aus einem Nischenthema kein öffentliches Thema. Und: Die Öffentlichkeit gibt es trotz Filterblasen und Teilöffentlichkeiten im Netz weiterhin, und vielleicht gibt es sie erst recht.

Es gibt zwei Alternativen zur alternativen Szenekneipe, die beide effektiver sind, wenn es darum geht, im politischen Spiel mitzuspielen. Der eine Weg bleibt auf der Hinterbühne, aber auf einer anderen. Es ist der Weg der klassischen Lobbys. Die Wirtschaftsverbände nutzen diesen Weg (aber nicht nur diesen Weg) ebenso, wie es die großen Umweltverbände tun. Wer im Hintergrundgespräch heimlich, still und leise die Regierung, die Fraktionen, die die Mehrheit bilden (oder sie eines Tages bilden könnten) davon überzeugt, dass es doch gut wäre, dieses zu tun und jenes zu lassen, hat schon halb gewonnen.

Der zweite Weg geht über die Vorderbühne, auf die Straßen, in die Redaktionen – und auf diesem Umweg auch in die Parlamente. Wem es gelingt, sein oder ihr Anliegen so in der Öffentlichkeit zu verankern, dass es für einen kurzen Augenblick der Stabilität die herrschende Meinung zu sein scheint, hat ebenfalls schon halb gewonnen. Und, um auf Michael Seemann zurückzukommen: Indikatoren dafür, dass das gelungen ist, sind heute eben nicht nur die Talkshows und Schlagzeilen, sondern auch die Dinge, die im Gespräch der »ganz normalen Leute« wiedergekäut werden. Die lustigen Bilder, die außerhalb der Filterblase der Netzgemeinde auf Facebook kursieren, das Gespräch in der Straßenbahn, am Arbeitsplatz oder am Stammtisch. (#aufschrei hat das übrigens geschafft, für einen Moment genau diesen Sprung vom Netzdiskurs in die Allgenerationensphäre der öffentlichen Meinung zu absolvieren.)

Und natürlich klappt es am allerbesten, wenn beide Wege beschritten werden. Werbung, politische PR, langfristig vorbereitete Projekte zur Stimmungsbeeinflussung, regelmäßige Hintergrundgespräche und Lobbyaktivitäten, aber eben auch die schnelle Reaktion auf Ereignisse mit Folgen. Das Gesamtpaket, das eine Bewegung so bucht, wenn sie von der Bewegung zum Wirtschaftsfaktor und zum politischen Player wird.

Wer sich das vergegenwärtigen möchte, muss nicht die Aktivitäten der INSM sezieren, sondern kann vergleichen, wie die Erneuerbare-Energien-Branche vor zwanzig Jahren (1993) aufgetreten ist, und wie sie heute auftritt. Vom breit im öffentlichen Bewusstsein verankerten, basisdemokratisch-politischen Arm (»Atomkraft, nein danke!«) bis zum wirtschaftsstarken Großkonzern und den entsprechenden Verbänden ist da alles dabei.

Was eine solche Orientierung an politikgestalterischer Effektivität mit alternativen Almhütten macht, ist die andere Frage. Die mitschwingt, wenn Seemann am Ende seines Textes vier (mir allerdings zu technik-/plattformdeterministisch gedachte) Alternativen nennt und verwirft, und dann aber Ratlosigkeit äußert. Von mir verkürzt sind seine verworfenen Ratschlag (1) die Proklamierung autarker Techniknutzung (eigener WordPress-Host) für die Massen, (2) die abgeschottete Technikelite (die sich selbst genug ist und in der Bedeutungslosigkeit versinken wird) sowie (3) der »Marsch durch die Institutionen 1″ (lang lebe Facebook!) und (4) der »Marsch durch die Institutionen 2″ (Facebook nutzen, um Facebook zu bekämpfen).

Seemann endet damit, dass er nicht in die Kathrin-Passig-Falle (Technik bis 30 ist innovativ, Technik nach 30 ist verwerflich) tappen will, weiterhin für ein »freies Web« kämpfen will, aber irgendwie nicht so richtig weiß, wie und wo das geschehen soll.

Vielleicht liegt diese Ratlosigkeit daran – ich muss das nochmal betonen – dass er Netzpolitik scheinbar mit der technischen Infrastruktur in eins setzt. Mein Verständnis von Netzpolitik ist ein anderes. Dazu gehört allerdings auch, dass ich die Illusion eines »freien Webs« für problematisch halte. Wir leben zwischen in den Mauerlücken großer Konzerne – egal, ob diese jetzt AOL/Time Warner oder Facebook heißen. Und auch die Nationalstaaten greifen gerne mit zur Mörtelkelle.

In diesen Mauerlücken wachsen schöne Blumen, und auch auf diese Mauern lassen sich Graffiti malen. Aber zu einem realistischen Blick auf das Netz gehört es eben, auch die Mauern zu sehen, die da längst stehen, und die abzureißen nun tatsächlich niemand eine Absicht hat.

Swimming toys V

III. Das Erwachen der Netzbewegung

Der zweite Text, den ich lesenswert fand, ist auf Metronaut erschienen und hat die Autorenzeile John F. Nebel. »Die Netzgemeinde ist tot, lang lebe die Netzbewegung«, heißt es dort.

Letztlich ist dieser Text eine Reihe von Ratschlägen dafür, wie aus der sich selbst genügenden, sich selbst für die Welt haltenden »Netzgemeinde« (wieder) eine Netzbewegung wird. Ich bin mir nicht sicher, ob der Text eine Reaktion auf den Seemannschen Rant ist, oder ob es sich dabei andersherum verhält, oder ob beide völlig unabhängig voneinander stehen. Auffällig ist zunächst einmal der sprachliche Duktus. Der Text bei Metronaut bewegt sich ganz klar in links(-autonomen) Sprachgefilden. Er ist geprägt von der Vorstellung, dass eine soziale Bewegung etwas ist, das Widerstand leistet – ein Konzept, dass ich bei Michael Seemann nicht wahrnehme. Bei ihm geht es (wenn ich’s auf den von mir rausgelesenen Kern verkürze) darum, den Rest der Welt von guten Ideen zu überzeugen, und dabei festzustellen, dass es dafür nicht ausreicht, sich mit denen zu unterhalten, die von den guten Ideen schon überzeugt sind.

»Lang lebe die Netzbewegung« geht dagegen von einer ganz anderen sozialen Position aus: Wir können etwas bewegen, wir können etwas verändern, aber wir tun das immer gegen »die da oben«. Und John F. Nebel will uns daran erinnern, dass das die gesellschaftliche Position der netzpolitischen Avantgarde ist. Entsprechend hat er acht Tipps für den erfolgreichen Wiederaufbau der Netzbewegung als einer widerständigen sozialen Bewegung (ich kehre gleich noch einmal zu meinem Bemerkungen über Politik und Lobbyismus zurück, keine Sorge). Die sind:

  1. Die guten Leute bei den zerfallenden Piraten identifizieren
  2. Sich endlich den Aktivist/innen außerhalb Berlins mehr öffnen
  3. Erklären und vereinfachen statt Meta-Meta
  4. Scheiss auf Konkurrenzen
  5. Junge, frische Leute einbinden
  6. Mehr Bloggen, mehr eigene Medien
  7. Runter vom Schoß der Macht
  8. Öffnung für Bürgerrechtsthemen aller Art

Die Vision, die hinter diesen Ratschlägen steht, ist klar: Um zur politisch relevanten Massenbewegung zu werden, muss die Netzbewegung sich öffnen (gegenüber dem Rest der Welt außerhalb der Filterblase Berlin (ja, ja, ja!), gegenüber Neulingen, gegenüber BündnispartnerInnen aus der breiteren Bürgerrechtsbewegung). Sie muss sich selbst als politische Bewegung verstehen (dazu gehört die thematische Verkürzung, dazu gehört der Aufbau einer Bewegungsinfrastruktur, dazu gehört das Selbstverständnis, sich nicht von ›der Macht‹ einwickeln zu lassen, dazu gehört die Nachwuchsarbeit) und muss eine einheitliche Front bilden (mit ehemaligen Piraten, über die Grenzen der verschiedenen Vereine hinweg, mit einer Öffnung für Bürgerrechtsthemen).

Die Vision ist klar, und sie wirkt zunächst einmal attraktiv, definitiv sympathisch. Arbeiterbewegung, Friedensbewegung, Umweltbewegung, Autonome Bewegung, Antiglobalisierungsbewegung – und jetzt eben das »Breite linke Bündnis für ein freies Netz für alle«.

Ich wäre froh, wenn es so etwas gäbe. Allerdings zweifle ich daran, dass eine Rekonfiguration als so verstandene Netzbewegung tatsächlich den erwünschten politischen Erfolg mit sich bringen würde. Wenn die Piraten nicht den Weg »Partei« eingeschlagen hätten, hätten wir vielleicht etwas derartiges. Aber selbst dann würden meine Zweifel bleiben.

Last toys

IV. Die Heterogenität der »Netzgemeinde«, oder: im Zweifel für den Zweifel

Letztlich glaube ich, dass meine Zweifel am Erfolg einer Widerstandsbewegung etwas damit zu tun haben, dass die schönen Etiketten der »Netzpolitik« oder auch der »Netzgemeinde« vielfältige Heterogenitäten überdecken. Und damit meine ich nicht die läppischen Flügel der Piraten, sondern die Tatsache, dass es fundamental unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, was Netzpolitik eigentlich ist – und ebenso unterschiedliche Vorstellungen davon, was eine darauf bezogene politische Konfiguration eigentlich ausmachen müsste.

Wer mir das nicht glaubt, darf einfach mal die Frage beantworten, ob ECO, BITKOM und Google netzpolitische Akteure sind. Und wenn nein, warum die nicht dazugehören sollen, meine Timeline aber schon.

Was ist denn die Freiheit des Netzes (des Netzes, und nicht des Webs, lieber Michael Seemann!), die zu erhalten (bzw. zu verteidigen (bzw. erst zu schaffen)) vielleicht noch so etwas wie einen gemeinsamen Kern darstellen könnte?

Zwischen Verbraucherschutz und Verbraucherberatung (Digiges geht zum Teil in diese Richtung, und das hat auch was für sich) zum ersten, Open-Source-Lobbyismus zum zweiten, Freiheit vom Urheberrecht zum dritten, Antiüberwachungs-bzw.-Bürgerrechtspolitik zum vierten und Zugangsfreiheit zur Infrastruktur zum fünften fallen mir da ganz unterschiedliche Interpretationen der Freiheit des Netzes ein. Welche davon ist die richtige? Oder müssen alle zusammen geteilt werden, um Teil der Bewegung zu sein?

Klar, da gibt es Überschneidungen, klar, da lassen immer mal wieder Bündnisse schmieden. Aber wir sind eben nicht eins – und ich vermute mal, dass das auch für die Berliner Szene gilt. Das Netz intensiv zu nutzen heißt nicht, die Macht der Konzerne einschränken zu wollen, und wer gegen Überwachung ist, muss noch lange nicht für Blogs sein.

Und, um nochmal auf die Diskussion des Seemannschen Rants zurückzukommen: Das alles ist immer noch Innensicht. (Oder, in den Worten von John F. Nebel: Meta-Meta). Was von diesen verschiedenen Freiheitsvorstellungen in der breiteren Bevölkerung ankommt, was für massenmediale Erzählungen anschlußfähig ist, und was in parlamentarische politische Arbeit übersetzbar ist, muss auch erst noch einmal diskutiert werden.

(Kleiner Exkurs: Ich bin als parlamentarischer Berater in der grünen Landtagsfraktion für Netzpolitik mitzuständig. Faktisch ist das beim Thema Urheberrecht Kulturpolitik, beim Thema Breitbandausbau Infrastrukturpolitik für den ländlichen Raum, beim Thema Netzneutralität Verbraucherschutzpolitik, beim Thema Medienkompetenz entweder, je nach Fokus, Bildungspolitik, Sozialpolitik oder Medienpolitik, beim Thema Vorratsdatenspeicherung Innenpolitik, ebenso bei Open Data, und bei ACTA Justizpolitik … und damit will ich nicht sagen, dass es ein eigenes Netzministerium bräuchte, sondern zeigen, dass, andersherum gedacht, eigentlich überall »Netz« selbstverständlich mitgedacht werden müsste, was aber wiederum nicht durch eine allzuständige Bewegung erfolgen kann).

Was ich damit sagen will: Netzpolitik als Netzpolitik gibt es nicht. Wer darauf aufbaut, ohne sich dessen bewusst zu werden, wird sich immer wieder über zusammenfallende Luftschlösser wundern. Netzpolitik war und ist heute schon eine Politik heterogener Bündnisse, die – so fluide und liquide ist das Netz allemal noch immer – schnell entstehen und schnell zerfallen. (Weswegen ich auch wenig Hoffnung habe, dass nach VDS und LSR bei BDA jetzt der große Erfolg eintritt).

Das alles wäre möglicherweise anders, wenn es im netzpolitischen Spektrum weniger Organisationen mit Allgemeinvertretungsanspruch gäbe (und das sind die parteinahen Verbände ebenso wie notgedrungen BITKOM und CCC), sondern mehr One-Issue-Akteure, die sich auch selbst als solche verstehen.

Oder noch besser, und vielleicht ist das meine Vision: Das Netz ist inzwischen, nach über vierzig Jahren, alltagsselbstverständlich genug, dass es spätestens mit der Übergabe der etablierten Bewegungsinstitutionen, NGOs und Lobbys von unten an die Generation der Mittdreißiger-und-Jünger relativ selbstverständlich sein sollte, Freiheiten des Netzes in den jeweiligen Politikfeldern mitzudenken. Nicht durch Netzbeauftragte, sondern weil das halt zu einem abgerundeten politischen Portfolio dazugehört. Und dann machen Verbraucherschutzorganisationen eben ganz selbstverständlich auch Verbraucherschutz im Netz inkl. Abmahnungen und Netzneutralität, dann denken Bildungsverbände Open Educational Resources und einen sinnvollen Umgang mit dem Urheberrecht mit, und dann gehören Bürgerrechte im Netz ganz klar zum Themenfeld altehrwürdiger Bürgerrechtsorganisationen. Gleiches gilt für Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, usw. usf.

Wir sind da noch nicht, jedenfalls noch nicht so ganz. In Teilen schon. Aber vielleicht kommen wir ja da hin. Und vielleicht hilft es dem Anliegen, sich für die verschiedenen Freiheiten des Netzes einzusetzen, deutlich mehr, wenn wir das nicht nur in netzpolitischen Verbänden und Bewegungen/Protobewegugen/Bewegungssubstituten tun (da gerne auch, und gerne reflektiert und der eigenen gesellschaftlichen Position bewusst), sondern ohne viel Aufhebens schlicht und einfach überall. Und bei Bedarf können wir uns verständigen.

(Um das am Beispiel BDA – Bestandsdatenauskunft – konkret zu machen: Dass da jetzt via Wiki einerseits (dahinter steht insbesondere die Entität formerly known as Foebud) und via Wiki andererseits (dahinter steht ›Freiheit statt Angst‹ (kurz FSA) und der ›AK Vorrat‹) versucht wird, u.a. für Demos am 14.4. zu mobilisieren, muss ich leider eher niedlich finden. Ein Tool ist ein Tool, versammelt aber, sofern es nicht schon spürbar brennt, nicht von selbst Protestakteure. Ist doch nicht das erste Mal. Einerseits. Und andererseits gibt es 16 Landesregierungen, die im Bundesrat über das Gesetz entscheiden werden. Wissen die, wie welche Entscheidung wo ankommt? – Oder nochmal LSR: Da muss die Frage doch lauten: Was tun wir jetzt, damit SPD und Grüne für den Fall einer Regierungsbildung nach dem 22.9. keinen Quatsch in ihr Regierungsprogramm schreiben?)

Warum blogge ich das? Public reading der beiden Blogtexte. Und weil eine Bewegung, die sich um einen leeren Kern herum versammeln will, eine schöne astronomische Metapher ist, aber typischerweise typische Schwierigkeiten bekommt. Oh, bei der Gelegenheit: Ich bin mir selbst unsicher, was eigentlich die Schlussfolgerung aus diesem Text ist. Würde gerne verschiedene Interpretationen vergleichen.

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